Biotremologie bei Spinnen
Projektbeschreibung
Spinnen sind wahre Experten, wenn es um die Detektion von Substratvibrationen geht. Sogenannte Spaltsinnesorgane an den Beinen und anderen Körperstellen perzipieren kleinste Erschütterungen. So ist es naheliegend, dass viele Spinnen Substratvibrationen zur Kommunikation nutzen. Vibrationssignale werden mittels Klopfen, Tremulation (z.B. Vibration des Opisthosomas) oder Stridulation erzeugt. Oftmals werden solche Signale mit visuellen und/oder chemischen zu multimodalen Kommunikationssignalen kombiniert.
Im von der DFG geförderten Projekt „Chemische und vibratorische Kommunikation: eine Analyse der Rolle von Spinnseide im reproduktionsbiologischen Kontext“ untersuchen wir (Monika Eberhard, Morgan Oberweiser & Gabriele Uhl) in Kooperation mit Cristina Tuni, LMU München, die Vibrationssignale und chemische Kommunikation von Pisaura mirabilis, der Listspinne. So wie zahlreiche andere Spinnenarten erzeugen Listspinnen Substratvibrationen während der Balz: Männchen signalisieren darüber ihre Anwesenheit an die Weibchen, oftmals um deren Angriffslust zu besänftigen und nicht mit Beute verwechselt zu werden. Genauso können wahrscheinlich die Artzugehörigkeit und die Qualität eines Männchens über Vibrationssignale von den Weibchen erkannt werden.
Das vorliegende Forschungsprojekt untersucht die funktionelle Rolle von chemischer und vibratorischer Kommunikation, die über Spinnseide vermittelt wird. Da die meisten Spinnen nur schlecht sehen können, sind sie stark auf chemische und vibratorische Signale angewiesen. Die Produktion von Spinnseide, die als Quelle oder Transportmedium für solche Signale dienen kann, macht Spinnen zum idealen Forschungsobjekt, um die multimodale Kommunikation zwischen den Geschlechtern zu erforschen. Männchen der Listspinne Pisaura mirabilis präsentieren dem Weibchen während der Balz ein in Spinnseide gewickeltes Beutetier. Dieses Verhalten ist bei der Spinnenart überaus gut untersucht, sie wurde zu einem Modell-Organismus für die Erforschung von sexueller Selektion. Weniger bekannt ist, ob P. mirabilis während des Paarungsverhaltens chemische und/oder vibratorische Signale verwendet. Verhaltensexperimente, kombiniert mit Strukturanalysen von Spinnseide und Messungen des Reproduktionserfolgs (Vaterschaftsanalysen) sollen zeigen, ob und wie chemische und vibratorische Kommunikationssignale das Reproduktionsgeschehen der Spinnen bestimmen. Wir werden untersuchen, ob chemische und vibratorische Signale mit der Kondition bzw. dem Reproduktionsstatus eines Individuums variieren, und ob Männchen sowie auch Weibchen diese Informationen zur Partnerwahl verwenden, bzw. ihre Signalerzeugung anhand dieser Informationen anpassen. Darüber hinaus werden wir die Rolle von Spinnseide im Zusammenhang mit chemischer und vibratorischer Kommunikation erforschen. Übereinstimmend mit unserer Hypothese erwarten wir, dass chemische und vibratorische Signale von P. mirabilis Männchen und Weibchen wichtige Informationen für den Paarungspartner enthalten. Weibchen signalisieren ihren Standort und ihre Rezeptivität an die Männchen, während Männchen vermutlich ihre Partnerwahl und Signaltaktik an die vorhandenen Weibchen-Signale anpassen. Dies wird erwartet, da die Herstellung des Brautgeschenkes, welches die Männchen dem Weibchen während der Paarung präsentieren, mit einem hohen Energieaufwand verbunden ist. Die Ergebnisse dieses interdisziplinären Forschungsprojektes werden die adaptiven Eigenschaften der multimodalen Kommunikationssignale aufzeigen, und die vorhandenen Wissenslücken über das Zusammenspiel von chemischer und vibratorischer Kommunikation im Zusammenhang mit Spinnseide schließen.
In den Bachelor-Projekten von Alexandra Machnis und Timon Möller wurden bereits Vibrationssignale von P. mirabilis mittels Laser-Doppler-Vibrometer während der Balz aufgenommen und analysiert. Verschiedene experimentelle Ansätze zeigten, dass die Vibrationssignale mit der Kondition bzw. dem Vorhandensein oder der Qualität eines Brautgeschenks variieren. Die Bachelor-Arbeit von Paul-Robin Franz untersucht die Funktion der Vibrationssignale der Männchen im Hinblick auf Weibchenwahl. Stefan ter Haar untersuchte in seiner Master-Arbeit, ob die Vibrations-Balzzisgnale der Männchen die Aggression der Weibchen gegenüber Männchen reduziert.
Kooperationspartner:
Cristina Tuni, Behavioural Ecology, LMU Munich, Germany
Tomer Czaczkes, Evolutionsbiologie, University of Regensburg, Germany
Niels Dingemanse, Behavioural Ecology, LMU Munich, Germany
Biotremologie bei Wespenspinnen
In einem möglichen Bachelor- oder Master-Projekt sollen die Vibrationssignale von Argiope bruennichi während der Balz mittels Laser-Doppler-Vibrometer aufgenommen und analysiert werden, um die intra- und interindividuelle Variabilität der Signale festzustellen. Aufnahmen im Labor und im Freiland sollen Aufschluss über die Einflüsse von Störsignalen geben, und die Anpassung von Signalen an die lokalen Gegebenheiten analysieren. Zusätzlich sollen morphologische Merkmale der vorher getesteten Individuen gemessen werden, um einen möglichen Zusammenhang zwischen Vibrationssignalen und Kondition (Größe, Gewicht, etc.) herauszufinden.
Projektbezogene Publikationen
Eberhard, M.J.B.; Möller, T.A.; Uhl, G. 2021. Dragline silk reveals female developmental stage and mediates male vibratory courtship in the nuptial gift‐giving spider Pisaura mirabilis. Ethology 124: 855-861. doi:10.1111/eth.12819 PDF
Eberhard, M.J.B.; Machnis, A.; Uhl, G. 2020. Condition-dependent differences in male vibratory pre-copulatory and copulatory courtship in a nuptial gift-giving spider. Behavioral Ecology and Sociobiology 74: 138. doi.org/10.1007/s00265-020-02918-w. PDF