Vergleichende Morphologie und Evolution von Giftdrüsen bei ausgewählten Euarthropoda
Projektbeschreibung
Räuberische Gliederfüßer (Arthropoda) setzen Gifte nicht nur zur Feindabwehr, sondern vor allem für die Tötung und Vorverdauung von Beuteorganismen ein. Nicht selten werden diese Gifte durch spezielle Raubbeine oder Stachelanhänge appliziert, die mit Giftdrüsen in Verbindung stehen und wie Injektionsspritzen operieren.
Während sowohl der zelluläre Aufbau, als auch die biochemische Zusammensetzung von Giftdrüsen bei zahlreichen Spinnentieren (u.a. Skorpione, Spinnen) recht gut bekannt sind, sind diesbezügliche, morphologische und funktionelle Untersuchungen bei Hundertfüßern (Chilopoda) bislang nur in Ansätzen durchgeführt worden. Alle Hundertfüßer besitzen ein paar Giftklauen, auch Maxillipeden genannt, die dem Kopf funktionell zuzuordnen sind, evolutionsmorphologisch aber aus einer Umbildung des ersten Rumpfbeinpaars hervorgegangen sind.
Im Unterschied zu anderen Arthropoden, weisen die Hundertfüßer-Giftdrüsen nicht ein homogenes, einschichtiges Epithel aus Sekretzellen auf, sondern bestehen aus wenigzelligen Drüsenmodulen, die jeweils eine Kanalzelle, eine Intermediärzelle, sowie zwei unterschiedliche Typen von Sekretzellen umfassen. Die Giftdrüsen der Hundertfüßer lassen sich damit typologisch als Aggregate von kleinen Hautdrüsen auffassen, die über das gesamte Integument verteilt und sehr ähnlich aufgebaut sind.
Im Rahmen eines seit 2015 laufenden, internationalen Forschungsprojektes wird die Anatomie und Sekretchemie von Giftdrüsen ausgewählter Vertreter aller fünf Teiltaxa der Chilopoda (Scutigeromorpha, Lithobiomorpha, Craterostigmomorpha, Scolopendromorpha, Geophilomorpha) untersucht. Dabei kommen etablierte invasiv-morphologische Analysemethoden wie die Histochemie (Parafin- und Semidünnschnitt-Histologie), Immunhistochemie (visualisiert mit cLSM, Darstellung von Innervationsmustern) und Transmissionselektronenmikroskopie zum Einsatz. Zusätzlich wird non-invasiv-morphologisch die Mikro-Computertomographie (µ-CT) genutzt, um quantitative und morphometrische Aspekte innerhalb der Giftdrüsen zu erfassen, sowie um insbesondere die Anordnung und Diversifizierung giftdrüsen-assoziierter Muskeln zu rekonstruieren. Begleitende proteomische und transkriptomische Analysen (durchgeführt von Dr. Eivind A.B. Undheim, University of Queensland, Brisbane, Australien) geben Auskunft über differentielle, ggf. regionalisierte Sekretproduktionen, die inner- und zwischenartlich verglichen werden können.
Von der Auswertung der multimodal generierten Daten erwarten wir Aufschlüsse über die Evolution der Giftdrüsen innerhalb der Chilopoda. Dabei evaluieren wir die in der Literatur vertretene Auffassung, dass sich die Giftdrüsen der Hundertfüßer von exponierten Wehrdrüsen ableiten lassen, welche im Zuge der Transformation ehemaliger Rumpf-Laufbeine internalisiert und funktionell modifiziert wurden.
Kontaktperson:
Kooperatiospartner:
Dr. Andy Sombke, Universität Greifswald