Forschung

Vögel

Zur Ökologie des Baumpiepers in Mittelwestfalen mit Schwerpunkt auf Offenlegung der Zugrouten unter Verwendung von Geolokatoren

Zur Ökologie des Baumpiepers in Mittelwestfalen mit Schwerpunkt auf Offenlegung der Zugrouten unter Verwendung von Geolokatoren

© Carl Loske

Weltweit nimmt die Biodiversität aufgrund verschiedener Einflüsse ab, z.B. durch Klimawandel, Änderungen in der Landnutzung, Stickstoffeinträge und Jagd (Bairlein 2016; Tilman et al. 2017). Die genauen Gründe für die Bestandsrückgänge vieler Vogelarten sind nicht leicht zu erschließen. Faktoren, welche Reproduktionserfolg, Körperkondition und Mortalität einer Spezies beeinflussen, sind der Schlüssel zum Verständnis ihres Rückgangs. Dies ist besonders kompliziert bei Zugvögeln, da diese zwischen Brut-, Zwischenrast- und Winterquartieren wechseln. Bei Langstreckenziehern befinden sich diese sogar auf verschiedenen Kontinenten (Sanderson et al. 2006; Both et al. 2006; Both et al. 2009). Zwei Populationen derselben Spezies können Unterschiede bei ihren Bruthabitaten, ihrem Verhalten, ihren Zugrouten und ihren Winterquartieren aufweisen (Bairlein et al. 2014). Um wirksame Schutzkonzepte zu erstellen, ist es unabdingbar, die Hauptursachen für den Rückgang ziehender Arten zu verstehen. Zwar sind die meisten Vögel, die in den Wäldern Europas nisten, Kurzstreckenzieher, doch erlitten speziell die Langstreckenzieher deutliche Verluste in den letzten Dekaden. Im Vergleich zu den Kurzstreckenziehern sind doppelt so viele Langstreckenzieher in Deutschland als gefährdet klassifiziert (Sudfeldt et al. 2012). Zwischen 1970 und 2005 waren 75 von 127 Langstreckenziehern im Rückgang begriffen.

Innerhalb des Eringerfelder Waldes wird seit 1977 auf dem Stadtgebiet von Geseke, Kreis Soest, Nordrhein-Westfalen der Bestand des Baumpiepers (Anthus trivialis) kontinuierlich erfasst. Eine Analyse der Daten von 1977 – 2016 für den Eringerfelder Wald zeigte einen deutlichen Rückgang der besetzten Reviere, ähnliche Rückgänge werden von englischen Langzeit-Projekten gemeldet (Burton mündlich). Der deutsche Bestand geht stärker zurück als im europäischen Trend (Bairlein et al. 2014; Gedeon et al. 2014). Ebenso wurde die Einstufung des Baumpiepers in der Roten Liste Nordrhein-Westfalen von Kategorie 3 auf 2 angehoben (Grüneberg et al. 2017). Im Vergleich zur Roten Liste der Brutvögel Deutschlands ist die Einstufung von 3 (Stand 2015) auf V herabgesetzt, da die Rückgänge sich  neuerdings verlangsamen (Ryslavy et al. 2020). Möglicherweise wirken hier bereits die trockenen Sommer der Jahre 2018-2020. Der Rückgang ist vermutlich multifaktoriell und geht auf Einflüsse im Brutgebiet ebenso wie auf Einflüsse auf dem Zugweg und in den Überwinterungsgebieten zurück. Die genauen Winterquartiere und Zugwege der Baumpieper auf dem europäischen Festland sind noch weitgehend unbekannt, da es von dieser Art kaum Wiederfunde aus den europäischen Vogelwarten gibt. In den Jahren 1981-1987 wurde die Reviertreue männlicher Baumpieper untersucht und es wurde eine Wiederkehrrate von ca. 35 % festgestellt (K.-H. Loske unpubliziert). Neue Daten aus dem Zeitraum 2017 – 2020 zeigten eine Wiederkehrrate von 29,5 % (n=44) unter den männlichen Baumpiepern (C.H. Loske unpubliziert). Des Weiteren kommen Baumpieper mittlerweile früher aus den Überwinterungsgebieten zurück. Rückgänge bei Transsaharaziehern, welche enge ökologische Nischen besiedeln und sich räumlich und zeitlich nah beieinander auf den Zug begeben (hohe Zugkonnektivität), lassen sich gut durch Fang-Wiederfang-Methodik untersuchen (Fay et al. 2020).

Hauptziel dieses Forschungsprojektes ist es konstant die Bestände, die Wiederfangquoten und die Brutplatzwahl zu erfassen, um relevante Effekte auf die Brutpopulation zeitnah zu ermitteln. Des Weiteren sollen die Zugwege der Tiere mittels der Verwendung von Geolokatoren offengelegt werden.

Mitarbeiter: M.Sc. Carl Henning Loske, Prof. Dr. Martin Haase

Auswirkungen verschiedener Stressoren auf den Reproduktionserfolg Eurasischer Kraniche (Grus grus)

Auswirkungen verschiedener Stressoren auf den Reproduktionserfolg Eurasischer Kraniche (Grus grus)

© Isabel Barwisch
© Universität Greifswald

Seit Ende des 19. Jhd. zeigt der Eurasische Kranich (Grus grus) europaweit eine positive Bestandsentwicklung, einhergehend mit einer Ausweitung des Verbreitungsgebietes in südlicher und westlicher Richtung, trotz intensiver land- und forstwirtschaftlicher Nutzungen (Leito et al. 2003; Boldt 2015). Aktuelle Untersuchungen verweisen jedoch auf einen rückläufigen Reproduktionserfolg in Gebieten hoher Siedlungsdichten, wie beispielsweise Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg (Mewes 2014). Dichteabhängige Rückgänge des Reproduktionserfolgs, als Folge verstärkter Konkurrenz um geeignete Brut- und Nahrungshabitate (Fernandez et al. 1998), wurden bereits bei andere Arten wie dem Höckerschwan (Cygnus olor) und der Weißwangengans (Branta leucopsis) nachgewiesen (Nummi & Saari 2003; Larsson & Forslund 1994). Wohingegen Mitte der 90er Jahre lediglich 8 % der Kranichpopulation in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg in den, als suboptimal empfundenen, Agrarlandschaften brüteten, nutzten 2010 bereits über 30 % Habitate in der Feldflur zur Brut, Tendenz steigend (Mewes 2010). Aufgrund seiner scheinbar guten Anpassungsfähigkeit stellt sich die Frage, welche Faktoren tatsächlich für den Reproduktionserfolg des Kranichs von Bedeutung sind.

Die Hauptziele dieses Forschungsprojektes sind die räumliche Analyse der aktuellen Brutpopulation des Kranichs in Mecklenburg-Vorpommern, sowie die Untersuchung des Einflusses verschiedener Faktoren auf dessen Reproduktionserfolg.

Den Auswirkungen unterschiedlicher Siedlungsdichten und dem Einfluss der gegebenen Landschaftskomponenten möchten wir nicht nur aus ökologischer oder verhaltensbiologischer Sicht auf den Grund gehen, sondern auch aus einer physiologischen Perspektive, mit Hilfe der Untersuchung einer potenziellen Belastung durch Schwermetalle. Generell könnten hohe Siedlungsdichten und ein steigender Prädationsdruck, einhergehend mit steigendem Konkurrenzdruck um geeignete Bruthabitate und Nahrungsflächen, ebenso größeren Stress für die Individuen bedeuten. Hierbei könnte das Alter ebenfalls eine Rolle spielen, da ältere beziehungsweise erfahrenere Individuen womöglich besser mit derartigen Situationen umgehen können.

Mit Hilfe dieses Forschungsprojektes möchten wir genauere Erkenntnisse in Bezug auf die Bedürfnisse des Kranichs an seine Umgebung gewinnen, um eine Basis für die Erarbeitung spezifischer naturschutzrelevanter Maßnahmen zu schaffen.

Mitarbeiter: M.Sc. Isabel Barwisch, Dr. Angela Schmitz Ornés

Barwisch, I., Mewes, W. & Schmitz Ornés, A. (2022). Long-term monitoring data reveal effects of age, population density, and environmental aspects on hatching success of Common Cranes (Grus grus). Avian Research

Barwisch, I., Mewes, W., Schmitz Ornés, A. & Guenther, S. (2023). Heavy metal residues in eggshells of Common Cranes (Grus grus) nesting in an agricultural region in north-eastern Germany. Journal of Ornithology

 

Habitat use and segregation of rails of the genus Porzana

Habitat use and segregation of rails of the genus Porzana

Kleines Sumpfhuhn Porzana parva

All seven species of rail occur on the restored and re-wetted areas in the valley of the river Peene. This includes the three species of Porzana, P. porzana, P. parva and P. pusilla. The latter was thought to be extinct in Germany. We are interested in the habitat requirements of these three species during the breeding season in order to understand how these closely related species can co-exist. We investigate abiotic and biotic characteristics of habitats as well as spatial and temporal use of territories, intra- and interspecific territorial behavior, and social interactions. In this context, we have an additional focus on the more common Water Rail, which probably also interacts with the Porzana species. These investigations are also complemented by molecular approaches in order to answer population genetic and demographic questions. The ultimate goal is the elaboration of conservation and management measures aiming at the permanent establishment of these rail populations.

Scientists involved: Dipl.-Biol. Alexander Eilers, Dr. Angela Schmitz, Dipl.-Biol. Benjamin Herold, Dr. Martin Haase
Financing:Brehm Fonds für den internationalen Vogelschutz, Bonn

Färbung des Gefieders in phylogenetischen und evolutionären Analysen

Färbung des Gefieders in phylogenetischen und evolutionären Analysen

Die Färbung des Gefieders von Vögeln spielt bei vielen Arten eine maßgebliche Rolle bei der Partnerwahl und steht somit unter sexueller Selektion. Die Gefiederfärbung hat daher bei der Artbildung eine wichtige Funktion, was seinen Niederschlag auch in der Taxonomie findet. So wichtig das Gefieder in der Unterscheidung von Arten ist, so schwierig war es bisher, diesen Merkmalskomplex für die phylogenetische Analyse heranzuziehen. Dr. Angela Schmitz hat eine Methode entwickelt, objektiv gemessene Farbspektraldaten für kladistische Analysen zu kodieren. Moderne phylogenetische Analysen beruhen heute maßgeblich auf genetischen Daten. Allerdings stellte es sich bei zahlreichen Vogelgruppen heraus, dass genetische Standard-Marker wie mitochondrielle Gene nur wenig zwischenartliche Variabilität zeigen und daher für die Ermittlung von Verwandtschaftsverhältnissen auf dem Artniveau nur bedingt brauchbar sind. V.a. für Gruppen, bei denen die Gefiederfärbung offensichtlich eine bedeutende Rolle in der Speziation spielt, könnten daher Farbspektraldaten eine wichtige Ergänzung zu genetischen Daten darstellen. Dies wird anhand von Analysen von genetischen und Farbspektraldaten von Kolibris untersucht.

Mitarbeiter: Dr. Angela Schmitz, Dr. Martin Haase
Finanzierung: Deutsche Forschungsgemeinschaft; Alexander Koenig Foundation, Bonn; Brehm Fonds für den internationalen Vogelschutz, Bonn; Short-Term visitor appointment, Smithsonian Institution, Washington DC; Collections’ Study Grant, American Museum of Natural History, New York; Jessup Grant, Academy of Natzral Sciences, Philadelphia; SYNTHESYS (the European Union-funded Integrated Infrastructure Initiative grant)

Schnecken

Gewinner in einer sich verändernden Welt - Rekonstruktion der globalen Expansion und invasiven Routen der Neuseeländischen Zwergdeckelschnecke Potamopyrgus antipodarum und Rolle der Schalenmorphologie

Gewinner in einer sich verändernden Welt - Rekonstruktion der globalen Expansion und invasiven Routen der Neuseeländischen Zwergdeckelschnecke Potamopyrgus antipodarum und Rolle der Schalenmorphologie

© Lisa Männer

Das RESPONSE-Programm strebt an, biologische Reaktionen auf Umweltveränderungen zu verstehen und konzentriert sich in einem seiner 12 Projekte (A1) auf die Anpassungsfähigkeit der morphologischen Vielfalt der ovoviviparen Neuseeländischen Zwergdeckelschnecke Potamopyrgus antipodarum (Gray, 1843). Sie gilt als eine der 100 schlimmsten invasiven Arten Europas und ist ein Modellorganismus für die Erforschung sexueller und asexueller Fortpflanzung, morphologischer Anpassung, phänotypischer Plastizität, Invasivität und Ökotoxikologie. In ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet treten diploide, sich sexuell fortpflanzende Tiere zusammen mit meist triploiden, parthenogenetischen Linien auf, die fast ausschließlich weiblich sind. Letztere sind auch in andere Teile der Welt invasiv, darunter - abgesehen von Europa - Australien, USA, Japan und Chile. In Zeiten des vom Menschen verursachten Klimawandels ist P. antipodarum aufgrund seiner geringen genetischen Vielfalt in invasiven Lebensräumen eine ideale Tierart, um körperliche Veränderungen auf neue Umgebungen zu untersuchen, indem ihre Anpassungen auf die neuen Lebensräume in Betracht gezogen werden. In der ersten RESPONSE Kohorte untersuchte Gerlien Verhaegen das Verhältnis zwischen Schalenmorphologie und Fertilität, sowie ihre Abhängigkeit vom Lebensraum, sowohl in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet Neuseeland, als auch in europäischen Populationen. Als Datengrundlage dienten Proben, welche vor Ort gesammelt wurden (Verhaegen et al. 2018a, b). Darüber hinaus analysierte sie die Wechselwirkung von Strömung und Schalenmorphologie experimentell und durch computerbasierten Fluiddynamikberechnungen (Verhaegen et al. 2019). In der zweiten Kohorte untersuchte Lisa Männer Reaktionsnormen und Heritabilität der Schalenmorphologie in einem ‘common garden’ Experiment (in Vorbereitung). Des Weiteren untersuchte sie genomweite Muster der DNA-Methylierung - ein Mechanismus der phänotypischen Plastizität - bei Weichtieren (im Besonderen an P. antipodarum) auf der Grundlage veröffentlichter transkriptomischer und genomischer Daten (Männer et al. 2020), unter Anwendung der ‘Oxford Nanopore Long-Read'-Sequenzierungstechnologie (in Vorbereitung).

Als Teil der letzten RESPONSE-Kohorte habe ich im Rahmen von A1 vier Ziele: (1) Die Rekonstruktion einer Phylogeographie des heimischen Ausbreitungsgebietes, basierend auf Genomdaten in Verbindung mit der Fragestellung, ob die Ausbreitung mit der Schalenmorphologie zusammenhängt. (2) Die Rekonstruktion der weltweiten Invasionsroute von P. antipodarum aufbauend auf der Arbeit von Donne et al. (2020) unter Verwendung von SNP-Daten. Neben bereits ermittelten Daten werden wir in zuvor nicht untersuchten Gebieten auf der Nord- und Südinseln Neuseelands Proben nehmen und Material von neuen invasiven Ländern von unseren Kooperationspartnern Adrian Dusting (Australien), Gonzalo Andrés Collado Inzulza (Chile) und Gerlien Verhaegen (Japan) erhalten. (3) Die Rekonstruktion der Europäischen Invasionsroute basierend auf Erstfunden von P. antipodarum (früher bekannt unter dem Synonym P. jenkinsi Smith, 1889) in der Literatur. (4) Eine Vorhersage über zukünftige Änderungen des Verbreitungsgebiets auf Grundlage der zuvor genannten Projekte und aktueller Klimaprognosen.

Mitarbeiter: M.Sc. Peter Schächinger, Prof. Dr. Martin Haase