Geschichte
Das Zoologische Institut und Museum blickt auf eine fast 200-jährige Historie zurück. Davon ist das erste Jahrhundert reine Museumsgeschichte, denn die zoologischen Sammlungen bildeten das Fundament, auf dem sich das Institut erst nach und nach formierte.
Im 18. Jahrhundert hatte sich aus Schenkungen an die Universität ein Naturalienkabinett gebildet, das im Hauptgebäude untergebracht war. Im Jahre 1819 übernahm der Botaniker Christian Friedrich Hornschuch dieses Sammelsurium mit dem Auftrag, daraus ein Zoologisches Museum zu entwickeln. Bei Amtsübernahme wurde festgestellt, dass mangels sachkundiger Pflege ein Großteil der Naturalien bereits verrottet war. Dem Elan Hornschuchs konnte das allerdings nichts anhaben.
Hornschuch kämpfte erfolgreich nicht nur gegen Finanz- und Raumnöte, ihm gelang auch die Einrichtung zweier Mitarbeiterstellen. Insbesondere die Einstellung des Ornithologen Wilhelm Schilling als Konservator erwies sich für das Museum als eine sehr glückliche Wahl. Schilling verwandte die drei Jahrzehnte zwischen 1820 und 1850 vor allem für den Aufbau einer umfangreichen Sammlung von Vögeln der vorpommerschen Region („Pommernsammlung“).
Im Jahre 1836 zog das Zoologische Museum in das bis 2017 genutzte Gebäude in der Johann-Sebastian-Bach-Str. 11/12 um. Hier konnten zunächst einige Räume, ab 1895 dann das ganze Haus belegt werden. Raum wurde für die zügig expandierenden Sammlungen auch benötigt, zählten zu den Exponaten doch inzwischen selbst Walskelette! In dieser ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts verstand man sich als Regionalmuseum, das die Tierwelt Vorpommerns erforschte und durch Belegexemplare dokumentierte.
Als im Jahr 1864 Reinhold Buchholz Kustos des Museums wurde, änderte sich die Sammlungs- und Forschungsstrategie. Obwohl auf Crustacea (Krebse) spezialisiert, war Buchholz eine Forscherpersönlichkeit mit breiten Interessen – sowohl taxonomisch als auch biogeografisch gesehen. Seine Teilnahme an Forschungsexpeditionen in die Arktis und nach Westafrika leitete die „Internationalisierung“ der Greifswalder Zoologie ein. Eine Blütezeit sammlungsbezogener taxonomischer Forschung begann…
Nach dem frühen Tod von Buchholz übernahm 1876 C. E. Adolph Gerstaecker das Direktorat über das Zoologische Museum. Neben den Krebsen galt sein spezielles Forschungsinteresse den Insekten. Über zwei Jahrzehnte baute Gerstaecker aus verschiedenen Expeditionsausbeuten und Materialankäufen die sogenannte Neue Institutssammlung der Insekten auf, die schließlich 20.000 Exemplare und einige Hundert Typen umfasste. Die Entomologie hatte in Greifswald endgültig Einzug gehalten!
Mit Gustav Wilhelm Müller stand seit 1895 ein weiterer Zoologe von Weltrang an der Spitze des Museums. Müllers Passion waren die Muschelkrebse Ostracoda, als deren Spezialist er die Ausbeuten aller großen Forschungsexpeditionen seiner Zeit bearbeitete. Nicht zuletzt durch Ankäufe einzelner Präparate und ganzer Sammlungen war das Museum inzwischen so umfangreich geworden, dass das Nachbargebäude angekauft werden musste. Mit Müllers Emeritierung im Jahre 1923 endeten sechs Jahrzehnte überaus produktiver taxonomischer Museumsforschung in Greifswald.
Unter dem Direktorat Paul Buchners (*1886 – †1978, im Amt 1923 – 1926), einem führenden Symbioseforscher, erfolgte eine umfangreiche Rekonstruktion und Modernisierung des Gebäudes. Von 1927 an trug es nunmehr die Bezeichnung „Zoologisches Institut und Museum“. Buchners Nachfolger im Amt des Direktors, Ernst Matthes (*1889 – †1958), hielt es für „eines der schönsten [Institute] Deutschlands“! Matthes veranlasste die Aufstellung einer Schausammlung, mit einer systematischen und einer biologischen Abteilung, die 1930 eröffnet werden konnte.
Die in die Kellerräume ausgelagerten Sammlungen überstanden die Wirren der Kriegs- und Nachkriegsjahre großenteils unbeschadet. Die Neuordnung des Museums organisierte engagiert die Kustodin Ilselotte Groth (*1923). Der Fundus wuchs nun vor allem durch Belegmaterial von Arthropoden (Insekten und anderen Gliedertieren) aus ökologisch-faunistischen Forschungsprojekten in der Region. Mit der DDR-Hochschulreform 1968 erfuhr das Museum eine erneute Zäsur: sechs der 10 Sammlungsräume gingen durch Umfunktion verloren und nahezu 1.000 Vogel- und Säugetierpräparate mussten einmagaziniert werden.
In dieser Zeit erhielt das Museum seine jetzige Struktur. Mit der Umstrukturierung einher ging die Neuaufstellung der Lehr- und Demonstrationssammlung, die dem natürlichen System des Tierreichs folgt. Verbunden mit dem Kustodiat Gerd Müller-Motzfelds etablierte sich seit 1978 ein entomologischer Forschungs- und Sammlungsschwerpunkt: die angewandte und systematische Carabidologie (Laufkäferkunde). Eine weitere Untersuchungsgruppe mit Tradition in Greifswald sind die Diptera (Fliegen und Mücken). - Seit 1996 wurden im Institutsfoyer und in der ehemaligen Bibliothek Räume für Wechselausstellungen geschaffen.
Im Jahr 2015 bezog das Zoologische Museum seine neuen Räumlichkeiten am Campus Soldmannstraße. Seit Juli 2024 ist das Gebäude des Zoologischen Museums auch von außen leicht zu erkennen, dank der künstlerischen Inszenierung der Unterkieferknochen eines Buckelwals.
Publikationen
Keilbach, R. (1956). Chronik des Zoologischen Instituts und Museums der Ernst Moritz Arndt-Universität Greifswald. In: Festschrift zum 500. Jubiläum der Universität Greifswald, p. 561-570.
Keilbach, R. (1988). Die Entwicklung der Zoologie in Greifswald. Wiss. Z. Ernst-Moritz-Arndt-Uni. Greifswald 37 (2-3): 5-10.
Müller-Motzfeld, G. (1988). Die Zoologischen Sammlungen in Greifswald. Wiss. Z. Ernst-Moritz-Arndt-Univ. Greifswald 37 (2-3): 30-35.
Müller-Motzfeld, G. (2008). Die Arachno-Entomologie in Greifswald. In: Greifswalder Universitätsreden - Zum 100. Geburtstag des Zoologen Prof. Dr. Rolf Keilbach, Neue Folge Nr. 138:15-34.
Michalik, P. & Jaschhof, M. (2009). Die Zoologischen Sammlungen der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. In Obst et al. Schatzkammern der Natur - Naturkundliche Sammlungen in Mecklenburg-Vorpommern. p 40-45.
Kämpfe, L., Michalik, P. (2011). 175 Jahre Zoologie in Greifswald - ein Rückblick. Greifswalder Universitätsreden 143, 7-27.
Michalik, P. (2018). GREIFSWALD: The Zoological Museum of the University Greifswald: Past, Present, and Future. In: Beck L. (eds) Zoological Collections of Germany. Natural History Collections. Springer, pp. 397-404.
Schmitt, M. (2019). Viereinhalb Jahrhunderte Zoologie in Greifswald. Mitteilungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft ZOOLOGIE 2019, 7-20.