Referentin: Prof. Dr. Lina Franken (Universität Vechta)
Abstract:
Zwischen Wirtshaus, Restaurant und Vereinsheim liegt der Saalbetrieb als halböffentliche Institution des Gaststättengewerbes. Es handelt sich um ein bislang kaum beleuchtetes, jedoch breit in die Gesellschaft hineinwirkendes kulturelles Erbe in tiefgreifender Transformation. Die gesellschaftliche Bedeutung gerade für den ländlichen Raum in Vergangenheit und Gegenwart, aber auch für die Zukunft ist hoch, finden hier doch identitätsstiftende Veranstaltungen von Vereinsfeiern über Hochzeiten bis hin zum Beerdigungskaffee statt.
Wie lassen sich diese Bedeutungszusammenhänge als immaterielles Kulturerbe digital erschließen, wo Kontexte durch die überlieferten materiellen Artefakte nur unzureichend dargestellt werden können? Im Rahmen des Projektes „Alltagskultur in Niedersachsen digital“ werden einzelne Saalbetriebe mit ihren heterogenen Beständen bearbeitet, um diese Frage zu beantworten.
Digitale Datensammlungen wissenschaftlicher Forschung unterscheiden sich in der Regel von solchen kuratierter musealer Sammlungen: Während durch Forschung entstandene Datensätze oft nicht öffentlich zugänglich sind, haben museale Sammlungen primär das Ziel der Dokumentation und Präsentation. Durch forschende Erschließung werden diese Ansätze miteinander verbunden. Statt einer reinen Kuratierung historischer Bestände werden diese in aktuelle Interpretationen eingebunden, indem kontextualisierende Interviews und Fotodokumentationen mit der Digitalisierung und Erschließung zusammengeführt werden.
Im Rahmen des Vortrags werden die zugehörige Datenmodellierung und das Konzept der forschenden Erschließung anhand von ausgewählten Beispielen zur Diskussion gestellt.
Kurzbio:
Lina Franken ist Professorin für Digital Humanities in den Kulturwissenschaften an der Universität Vechta. Als Empirische Kulturwissenschaftlerin forscht sie zur Weiterentwicklung kulturwissenschaftlicher Digital Humanities sowohl im Bereich der Digitalisierung von immateriellem Kulturerbe als auch in der Weiterentwicklung computationeller Methoden und Softwarelösungen für ethnografisch-qualitative Forschung. Vor ihrem Ruf an die Uni Vechta war sie an den Universitäten München, Hamburg, Bamberg, Regensburg und Bonn tätig. Sie promovierte mit einer qualitativen Studie zur Rolle von Lehrer:innen im Schulunterricht.